Inhaltsverzeichnis
Was ist ein Qualitätsmanagementsystem?
Auch QM-Profis tun sich manchmal schwer, anderen in einfachen Worten zu erklären, was Qualitätsmanagement (QM-System oder QMS) nach ISO 9001 bedeutet. Dass es gelingen kann, beweist hoffentlich dieser Artikel.
Vorweg ein Blick auf die einzelnen Begriffe Qualität, Management und System:
Qualität
Qualität bezieht sich auf die Erwartungen des Kunden zu Produkten und/oder Dienstleistungen. Wenn Kundenerwartungen erfüllt oder sogar übertroffen werden, hat eine Organisation gute Qualität geliefert.
Ich nutze übrigens den Begriff der Organisation, weil damit Unternehmen, Lieferanten, Dienstleister, Behörden und Einrichtungen gemeint sein können.
Zur Qualität gehört auch, dass eine Organisation nachhaltig arbeitet. Nachhaltigkeit kann sich auf den Gewinn, die Marktposition, die Einhaltung von Regeln oder die Bindung von guten Mitarbeiter:innen beziehen. Welche Qualitätsziele welche Priorität genießt, legt das „Management“ fest.
Management
Mit dem Begriff Management kann ein Gremium oder Tätigkeiten von Personen gemeint sein.
Im Qualitätsmanagementsystem bezieht sich Management auf gezielte Aktivitäten:
- Es wird geplant, wie eine Organisation ihre Ziele erreichen möchte.
- Die Umsetzung wird mehr oder weniger intensiv begleitet.
- Es wird hinterfragt, ob die Umsetzung den Vorstellungen entspricht.
- Es wird überlegt, ob die Ziele noch passen und was zu verbessern ist.
Nach dem 4. Schritt springt man wieder zu Schritt 1, und das Ganze beginnt von vorn. Dieser Managementkreislauf wird auch als PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act) bezeichnet.
Richtet sich der Fokus dieser Managementaktivitäten auf die Qualität, dann macht man Qualitätsmanagement.
Qualitätsmanagement umfasst alle bewussten Aktivitäten, um die Qualität von Produkten, Dienstleistungen und organisatorischen Abläufen immer wieder zu verbessern.
Das klingt einfach, wäre das nicht dieses Wörtchen „System“.
System
In der Planung kann man nicht alle Eventualitäten vorhersehen. Es gibt immer wieder interne und externe Einflüsse, die dazu führen, dass Manager:innen mit Schadensbegrenzung ausgelastet sind.
Drei Beispiele für interne Einflüsse:
- Mitarbeiter:innen kündigen (innerlich).
- Maschinen, Anlagen oder Werkzeuge funktionieren nicht.
- Es fehlt Geld für sinnvolle Investitionen (Schulung, Ausbau, Modernisierung …).
Drei Beispiele für externe Einflüsse:
- Politische Entscheidungen (Gesetze, Zölle, Krieg …).
- Wettbewerb und Preisentwicklungen.
- Folgen des Klimawandels (Hochwasser, Hitze, Pandemie …).
Und selbst ohne diese internen und externen Einflüsse kann es herausfordernd sein, die Managementaufgaben zu bewältigen. In einer Organisation haben wir es mit Menschen zu tun, die (zum Glück) alle ein bisschen anders sind. Diese Individuen auf die zu erreichenden Ziele einer Organisation einzuschwören, ist offensichtlich schwierig. Nicht umsonst gibt es bei Amazon.de mehr als 60.000 deutschsprachige Bücher zum Thema „Management“:
- Wie führt man Mitarbeiter?
- Wie erziehe ich meinen Chef?
- Wie komme ich mit mir selbst zurecht?
Das Management ist also mit verschiedenen Systemen konfrontiert: Weltbewegung, politische Systeme, Wettersystem, soziale Systeme (Gesellschaft, Gruppen, Teams …) und Individuen.
Systeme haben die unangenehme Eigenschaft, nicht sicher vorhersagbar zu sein. Organisationen managen auf der Basis von Erfahrungen und Wahrscheinlichkeiten, um durch diese Unsicherheiten zu navigieren. Diese Komplexität wird durch den Begriff „System“ ausgedrückt.
Qualitätsmanagementsystem
„Qualitätsmanagementsystem machen“ umfasst alle Versuche einer Organisation, trotz aller Unsicherheiten, durch bewusste Aktivitäten die Qualitätsanforderungen der Kunden zu erfüllen und gleichzeitig die internen Qualitätsziele zu erreichen.
Jetzt stell Dir vor, da kommt jemand und sagt: „Zeigen Sie mir mal Ihr Qualitätsmanagementsystem.“ Ist es das nicht lächerlich, wenn wir dieser Person ein sogenanntes „QM-Handbuch“ in die Hand drücken und diese auch noch damit happy ist?
Auch die Aussage: „Unser QM-System liegt auf Laufwerk F:\QM“ erscheint mit Blick auf die bisherige Erklärung wie ein schlechter Witz.
Das eigentliche QM-System umfasst Zielvorgaben zur Qualität, Prioritäten und Entscheidungen von Führungskräften, Planungsaktivitäten, Datenerfassung, Analysetätigkeiten, Ableitung von Verbesserungspotenzialen und die Umsetzung von Verbesserungsmaßnahmen.
Aber woher kommt der Gedanke, dass man das QM-System beschreiben müsse? Dazu müssen wir einen Blick auf die Zertifizierung von Unternehmen nach ISO 9001 werfen.
ISO 9001, Zertifizierung und Missverständnisse
Früher haben Kunden ihre Lieferanten besucht, um sich ein Bild von deren Qualität zu machen. Das war aufwendig und somit scheinbar zu teuer.
Daher entstand die Idee, typische Mindestanforderungen von Kunden zusammenzufassen. So entstand ein Büchlein mit dem klangvollen Namen „DIN EN ISO 9001 – Anforderungen an Qualitätsmanagementsysteme“.
Die ISO ist eine unabhängige, nicht staatliche internationale Organisation, die Normen entwickelt und veröffentlicht. Diese Normen sollen das wirtschaftliche Miteinander vereinfachen.
Seit der ersten Veröffentlichung im Jahr 1987 fordern viele Kunden von ihren Lieferanten, dass sie nachweislich die Anforderungen der ISO 9001 umsetzen. Geboren war die „Zertifizierung“, eine Prüfung durch unabhängige „Auditoren“. Es gab wohl die Hoffnung seitens der Kunden, dass zertifizierte Lieferanten ohne Bedenken beauftragt werden können.
Jetzt versetze Dich in die Lage eines Lieferanten, dessen Hauptkunden ein ISO 9001 Zertifikat fordert. Würdest Du nicht auch jemanden suchen, der Dir sagt, wie man so ein Zertifikat erhält? Geboren war die „QM-Beratung“.
Zu viele Berater:innen haben irrwitzige Dinge gemacht, die ohne Nutzen waren, jedoch zum Erhalt eines Zertifikats geführt haben. Es wurden und werden weiterhin QM-Handbücher erstellt und gepflegt, die in der gelebten Praxis keinen Einfluss haben und keinen Mehrwert für die Organisation liefern. Zu allem Überfluss werden Dokumente oder Nachweise von Zertifizierungsauditor:innen eingefordert, welche sich nicht zwingend aus den Anforderungen der ISO 9001 ableiten lassen.
Mit der Zeit haben sich Parallelwelten gebildet. Auf der einen Seite die reale Arbeitswelt und auf der anderen Seite ein Dokumentationssystem, welches scheinbar für die ISO benötigt wird.
Leider haben sich alle Beteiligten (Kunden, Lieferanten, Auditoren, Berater, Schulungsanbieter) damit abgefunden, dass eine ISO 9001 Zertifizierung offensichtlich Geld kostet und man dafür ein Dokumentationssystem aufrechterhalten muss.
Das ist schade und unnötig.
Qualitätsmanagementsystem neu denken
Vielen Geschäftsführer:innen, Führungskräften, QM-Beauftragten und sogar Auditor:innen ist nicht bewusst, welche Freiheitsgrade, Spielräume und Möglichkeiten die Anforderungen der ISO 9001 zulassen.
Wenn ich beispielsweise in meinen Projekten oder Schulungen darauf aufmerksam mache, dass die ISO 9001 keinen Schulungsplan und keinen Bericht zur Managementbewertung fordert, ist die Standardreaktion: „Aber die Auditorin fragt immer danach (und besteht darauf).“
Es ist nicht falsch, einen Schulungsplan zu erstellen oder einen Bericht zur Managementbewertung zu schreiben. Jedoch sollten der Schulungsplan oder der Bericht dann auch einen Mehrwert für die Organisation liefern. Ist das nicht der Fall, dann gibt es zahlreiche Alternativen, um Schulungen zu planen oder die Wirksamkeit eines QM-Systems zu bewerten.
Allein zur Bewertung der Wirksamkeit eines QM-Systems habe ich in meinem letzten Buch „Impulse für Ihre Managementbewertung: QM-System nach ISO 9001 sinnvoll bewerten“ unterschiedlichste Varianten mit deren jeweiligen Vor- und Nachteilen vorgestellt.
In meinem Online-Videotraining „Ausbildung zum/zur QM-Beauftragten ISO 9001“ lege ich besonderen Wert darauf, zu allen Anforderungen der ISO 9001 unterschiedliche Lösungsansätze vorzustellen, sodass Teilnehmer:innen mehr als nur ein QMB-Zertifikat erhalten.
Organisationen, welche die Anforderungen der ISO 9001 verstanden haben, werden feststellen, dass sie die meisten Anforderungen bereits mehr oder weniger gut umsetzen. Mit dieser Erkenntnis können sie sukzessive die weniger guten Umsetzungen verbessern und ein QM-System aufbauen, welches nicht zu einem Paralleluniversum mutiert.
Wenn Du als Geschäftsführer:in oder QMB dabei Unterstützung wünschst, komm gerne auf mich zu.
👉 Kontakt