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Was nicht geht, geht nun mal nicht
Seit der ersten ISO 9001 aus dem Jahr 1987 finden wir unter „Interne Audits“ die Anforderung: „Die Organisation muss Auditoren so auswählen und Audits so durchführen, dass Objektivität und Unparteilichkeit des Auditprozesses sichergestellt sind.“
Endlich findet man im Entwurf ISO 19011:2018 (also mit 31 Jahren Verspätung) im Abschnitt Auditprinzipien die folgende Relativierung zum Begriff Unabhängigkeit im Audit: „Bei kleineren Organisationen kann es sein, dass die internen Auditoren nicht komplett unabhängig von der Tätigkeit sind, die auditiert wird; es sollten aber alle Anstrengungen unternommen werden, um Voreingenommenheit zu beseitigen und Objektivität zu fördern.
“ Bei den Begriffsdefinitionen in der ISO 9000:2015 finden wir leider keine weiteren Hinweise. Was eine „kleinere“ Organisation ist, bleibt der Interpretation des Lesers überlassen.
Nehmen wir an, dass in einem Unternehmen mit 150 Mitarbeitenden zehn interne Auditor*innen ausgebildet wurden (was schon überdurchschnittlich viel wäre). Nehmen wir weiterhin an dass diese aus verschiedenen Abteilungen und Hierarchieebenen stammen. Währen dann zum Beispiel Auditor*innen aus der Produktion unparteiisch, wenn sie den Einkauf auditieren?
Wahrscheinlich kennen sich die Kolleg*innen und durch die Wechselwirkungen der Prozesse entstehen zwangläufig eigene Interessen oder themenbezogene Neigungen. Zudem beeinflussen persönliche Beziehung und der Nasenfaktor die Objektivität im Audit, wenn auch nur unbewusst.
Um diesem Dilemma zu entgehen, buchen einige Organisationen externe Auditoren zur Durchführung interner Audits. Jedoch auch hier dürfen Objektivität und Unparteilichkeit im Audit infrage gestellt werden. Auch als Berater könnte ich eigene Interessen bei meiner Bewertung verfolgen.
Hören Sie sich auch den Podcast zum Thema an:
Geht Unparteilichkeit im Audit überhaupt?
Es gibt einen Ausweg: Wenn man die Begriffe „Objektivität und Unparteilichkeit“ nicht auf die Person des Auditors, sondern auf dessen Einstellung bezieht.
Nicht umsonst beschreibt die ISO 19011 weitere Auditprinzipien wie Integrität, sachliche Darstellung, berufliche Sorgfalt und den faktengestützten Ansatz. Werden diese Prinzipien umgesetzt, könnten sogar ein Prozessverantwortliche ihre eigenen Prozesse auditieren.
Wenn Auditor*innen den eigenen Prozess auditieren, können diese internen Audits sehr in die Tiefe gehen und wertvolle Informationen liefern. Eventuell findet man dann nicht alle Feststellungen im Auditberichtbricht, da dies gegebenenfalls einer Selbstanzeige gleich käme. Sofern dennoch intern Maßnahmen zur Verbesserung abgestimmt werden, könnte man als Organisation gut damit leben.
Wichtig ist letztlich die Wirksamkeit des Auditprogramms!
Was ist jedoch ein wirksames Auditprogramm?
- Ist es ein numerischer Erfüllungsgrad?
- Sind es die Anzahl identifizierter Nichtkonformitäten?
- Gibt es nachvollziehbare Korrelationen zwischen Audits und Reklamationskosten?
- Sind es die Anzahl von Verbesserungsvorschlägen aus Audits?
Die Antwort ist ein klares „Jein“, da in allen Fragen ein Stückchen Wahrheit und viel Naivität steckt.
Geht es um den Erfüllungsgrad, so verhandeln Auditoren und Auditopfer häufig um die Bewertung. Fehlerkosten werden durch so viele Aspekte beeinflusst, sodass der Einfluss von Audits nicht bewertet werden kann. Auch die Anzahl der Verbesserungsvorschläge sagt nichts über deren Wert und die Umsetzungswahrscheinlichkeit aus.
Aus diesen Gedanke ergibt sich eine wesentlich wichtigere Frage, als die der Objektivität und Unparteilichkeit im Audit:
„Warum wollen wir als Organisation interne Audits durchführen?“
Diese Frage sollte durch die oberste Leitung beantwortet werden. Die Antwort sollte deutlich besser sein als „das brauchen wir, weil die Norm es fordert“. Tatsächliche gibt es viel mögliche Ziele interner Audits:
- Ermittlung von aktuellen Risiken und Chancen
- Motivation der Mitarbeiter und der Führung (Kollegialer Dialog)
- Verbesserungspotenziale der Aufbau- und Ablauforganisation
- Hinterfragen von Fehlerursachen
- Einführung neuer Produkte und Verfahren (Validierung)
- Kundensicht (interessierte Parteien) einnehmen
- Bewertung von (Korrektur-) Maßnahmen
- …
Und was ist mit der Unparteilichkeit im Audit?
Nur wenn die Führung einer Organisation weiß, was sie mit einem Auditprogramm bewirken will, kann sie auch dessen Wirksamkeit im Rahmen der Managementbewertung beurteilen. Hierbei kann ein persönliches Feedback der Auditteams und der auditierten Kollegen wesentlich informativer sein, als irgendwelche Auditkennzahlen.
Wenn die oberste Leitung interne Audits entsprechend fördert und erzielte Erfolge kommuniziert, dann werden auch Empfehlungen und Korrekturmaßnahmen eine deutlich höhere Bedeutung und somit eine höhere Umsetzungswahrscheinlichkeit erfahren.
Die Unparteilichkeit im Audit ist dann nicht mehr von besonderer Relevanz.
Dieser Artikel erschien in der Industrial Quality Ausgabe 03/2018
Weiterführende Beiträge
Im Beitrag 3 Mythen um interne Audits findest Du weitere Impulse zum Thema interne Audits.
In dem Artikel geht es um die Themen
- Auditprogramm,
- Auditplan und
- Auditbericht.
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