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Wer braucht denn noch ein Handbuch?
Handbuch im Normkontext
Bis 2015 versuchte die Norm, uns den Wert eines Handbuchs zu verkaufen, das bestimmte Dokumente enthalten muss (z. B. Geltungsbereich, Qualitätspolitik und sechs ausgewählte Verfahren). Immerhin gibt es seit 2000 den Hinweis, dass das Medium des Handbuchs und der referenzierten Dokumente frei wählbar ist.
Mein Lieblingssatz aus der ISO 9001:2015 steht in Abschnitt 4.4.2:
„Die Organisation muss in erforderlichem Umfang dokumentierte Informationen aufrechterhalten, um die Durchführung ihrer Prozesse zu unterstützen.“
Ein wahrer Befreiungsschlag, der leider immer noch zu wenig genutzt wird.
Praxistipp zu Dokumenten
Stellt euren Führungskräften und Mitarbeiter:innen folgende Fragen:
- „Brauchst du dieses Dokument, um deinen Job zu machen?“
- „Wird das Dokument benötigt, um neue Kolleg:innen einzuarbeiten?“
- „Sind wir vertraglich zu diesem Dokument verpflichtet?“
- „Fordert der Gesetzgeber oder eine relevante interessierte Partei dieses Dokument?“
- „Handelt es sich um eine von der ISO 9001 geforderte dokumentierte Information?“
- „Könnte uns dieses Dokument im Haftungsfall den Arsch retten?“
Lautet eine Antwort „Ja!“, dann haben wir ein Dokument mit Mehrwert entdeckt und sollten es hegen und pflegen. Falls nicht, darf das Dokument in die Rundablage 🗑️.
Aber Achtung: Oft hört man ein „Ja“, doch ein Blick in den Inhalt verrät, dass etwas nicht stimmt:
- In der Realität wird (inzwischen) anders gearbeitet, als es das Dokument beschreibt.
- Mitarbeiter:innen wissen nichts von der Existenz des Dokuments.
- Niemand fühlt sich für die Aktualisierung verantwortlich – schließlich gibt es ja die QMBs.
Wenn ein Dokument wirklich benötigt wird, gibt es keine guten Gründe, es nicht auf einem vernünftigen Stand zu halten. Und nein, das ist nicht die Aufgabe von QM-Beauftragten.
Für jedes Dokument oder jede Dokumentenart solltet ihr euch fragen, wer es am besten aktuell halten kann. Beauftragte der Organisation (QMB, UMB, FASI …) können beratend zur Seite stehen, da sie oft Anforderungen oder potenzielle Wechselwirkungen besser kennen.
Neues Verständnis des Handbuchbegriffs
Dokumente zur Unterstützung unserer Prozesse sind oft weit verstreut: Dokumente werden aus Datenbanken (z.B. ERP-System) generiert, wodurch die Datenpflege zur zentralen Managementaufgabe wird. Manche Dokumente entstehen in Programmen mit eigener Ablagesystematik (z.B. CAD-Zeichnungen). Viele Dokumente werden noch immer händisch mit Office-Programmen erstellt. Andere Informationen werden handschriftlich vor Ort gepflegt. Zusätzlich gibt es dokumentierte Erfahrungen in Form von Auftragshistorien, Wissensdatenbanken oder Best Practices.
Da kann man schnell den Überblick verlieren.
Genau hier kann uns ein Handbuch helfen: Ein zentraler Ort, an dem alle relevanten Fäden zusammenlaufen. Ein Werkzeug, das uns befähigt, unsere Organisation besser zu verstehen.
In größeren Organisationen bietet sich ein Intranet (Wiki, SharePoint …) an. In Kleinstorganisationen genügt oft eine Word- oder PowerPoint-Datei. Gut ist die Lösung, die uns hilft, den Überblick zu wahren.
Das Ziel im Auge behalten
Letztlich geht es darum, dass alle Mitarbeiter:innen, die am Kundenauftrag mitwirken, wissen, was zu tun ist und bereitgestellte Informationen korrekt sind.
Zum Beispiel könnten bei einem Produktionsauftrag folgende Dokumente relevant sein: Lieferantentext, Zeichnungen, Fertigungspläne, Prüfvorgaben, Fertigungsprogramme, Rezepturen, Montageanleitungen, Verpackungsvorgaben, Zollangaben und viele mehr. Hinzu kommen Dokumente zur Auftragssteuerung (z.B. Kompetenzen, Bewegungsdaten …) oder zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur (z.B. Wartungspläne, Prüfmittelverwaltung …) benötigt werden.
Bei Dienstleistern geht es oft darum, den letzten mit Kunden abgestimmten Stand verfügbar zu machen (z. B. Kundenabsprachen, Dienstleistungsumfang, Auftragsbeschreibungen, Checklisten).
Wenn es uns gelingt, erforderliche Informationen in einem angemessenen Umfang bereitzustellen, haben wir ein wirkungsvolles System zum Umgang mit Dokumenten und Informationen etabliert. Ein Handbuch kann dabei ein bewährtes Hilfsmittel sein.
Übrigens enthält die ISO 9001 im Abschnitt 7.5 „Dokumentierte Information“ einige Aspekte, die für jede Dokumentenart kritisch hinterfragt werden sollten. Mehr dazu in späteren Artikeln.