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Kundenzufriedenheit sinnvoll ermitteln
Warum Fragebögen ungeeignet sind
Das Thema „Wahrnehmung zur Kundenzufriedenheit“ ist seit der Normrevision aus dem Jahr 2000 Bestandteil der ISO 9001 Anforderungen. Seither werden Unternehmen und Verbraucher mit Fragebögen zur Kundenzufriedenheit bombardiert und oft genervt.
Bei meinem Kunden führe ich relativ oft den folgenden Dialog:
Kunde: „Wir sollten unseren Kunden jährlich einen Fragebogen zukommen lassen.“
Ich: „Stellen Dir vor, dass Dir alle Lieferanten jährlich Fragebögen zusenden. Hättest Du die Zeit und Lust, diese ernsthaft und ehrlich auszufüllen? Jetzt gehe ich davon aus, dass Eure Kunden mindestens ähnlich viele Lieferanten hat. Willst Du jetzt immer noch Fragebögen versenden?“
Fakt ist, dass das Ausfüllen von Fragebögen mehrere Nachteile mit sich bringt:
- Welche Person bei Deinem Kunden soll den Fragebogen ausfüllen? Der Wareneingang, die QS, die Produktion, QM-Beauftragte, der Einkauf oder die oberste Leitung? Tatsächlich habe ich ein Unternehmen kennengelernt, welches stets drei Fragebögen an Einkauf, QS und Leitung ihrer Kunden gesendet haben. Jährlich mussten sie feststellen, dass die Rückläuferquote gegen null ging.
- Das Ausfüllen kostet Zeit. Warum sollten sich Kunden diese Zeit nehmen? Besonders kritisch wird es, wenn Kunden sich die Zeit nehmen und kritisches Feedback scheinbar ignoriert wird, da der Kunde keine Veränderungen erfährt. Wenn Kunden z.B. bemängeln, dass Ansprechpartner nicht auf der Homepage zu finden sind, dann sollte man diese entweder dort hinterlegen oder dem Kunden persönlich erklären, warum man sich dagegen entschieden hat.
- Der Kunde könnte unsere Organisation negativ wahrnehmen, wenn wir Fragen stellen, deren Antworten wir eigentlich wissen sollten. Wir sollten als Lieferant unsere Liefertermintreue und die Anzahl von berechtigten Reklamationen kennen. Wenn wir diese kennen, warum sollten wir diese Aspekte in einem Fragebogen von unseren Kunden bewerten lassen.
- Es besteht die Gefahr, schlafende Hunde zu wecken. Wenn es den Kunden bisher nicht gestört hat, dass Ansprechpartner an Freitagen nach 13 Uhr nicht mehr erreichen konnten, könnte die Frage zur Erreichbarkeit die Wahrnehmung des Kunden auf dieses Thema richten. Jetzt reichen zwei Anrufe, bei denen der Kunde niemanden erreicht und die Unzufriedenheit ist leicht gestiegen.
- Menschen reflektieren beim Ausfüllen nicht das gesamte Geschäftsjahr, sondern die aktuelle Gefühlslage. Wenn ich dem Kunden in der letzten Woche bei einem Problem effektiv helfen konnte, wird das Befragungsergebnis anders aussehen, als kurz nach einer berechtigten Reklamation, die dem Kunden arge Probleme verursacht hat.
- In vielen Fragebögen wird die Zufriedenheit bezüglich des Preises abgefragt. Erwartet da jemand wirklich, dass sich Kunden darüber beschweren, dass Lieferanten zu preiswert sind? Und wollen wir die Preise, die ein Kunde akzeptiert hat (sonst wäre es kein Kunde) auf Basis einer Fragebogenrückmeldung anpassen?
- „Denken die, dass ich nichts Besseres zu tun habe?“ Viele Menschen kann man mit Fragebögen regelrecht nerven.
Diese Nachteile werden befeuert, wenn man als Kunde merkt, dass die Fragebögen „nur für die ISO“ eingeführt wurden.
In einem Hotel habe ich mal auf dem Zufriedenheitsformular den Schimmel in der Dusche bemängelt, welcher beim nächsten Besuch drei Monate später immer noch vorhanden war. Als ich beim Bezahlen die Rezeption damit konfrontiert habe, kam die von mir befürchtete Aussage: „Äh, die Fragebögen sammeln nur ein und schicken sie an QM in der Zentrale. Keine Ahnung, was die damit machen.“
Noch schlimmer war die Bitte einer Verkäuferin im Autohaus, die Fragen 5 und 13 positiv zu bewerten, da diese Fragen mit der Prämie der Mitarbeiter:innen verknüpft seien.
Fazit: Hört sofort auf, Eure Kunden mit Fragebögen zu belästigen!
Kundenzufriedenheit sinnvoll ermitteln
„Ja, aber die Kundenzufriedenheit ist doch wichtig und ich möchte wirklich wissen, was diese über uns denken.“
Natürlich ist es wichtig zu wissen, ob wir marktgerechte Preise anbieten und wie unsere Kunden die Qualität unserer Produkte und Dienstleistungen wahrnehmen. Schließlich erhalten wir bei kritischen Rückmeldungen Lern- und Verbesserungsmöglichkeiten.
Die ISO 9001 fordert, dass wir unsere Wahrnehmung zur Kundenzufriedenheit bewerten. Mehr ist tatsächlich nicht möglich. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, um diese Wahrnehmung zu schärfen. Fragebögen sind nur eine dieser Möglichkeiten und in den meisten Fällen eine schlechte Methodenwahl. Hier ein paar Anregungen, wie Du die Wahrnehmung zur Kundenzufriedenheit verbessern kannst:
Persönliche Gespräche: Ob auf Messen, beim Geschäftsessen oder bei Besuchsterminen, der persönliche Kontakt bietet in den meisten Fällen die wertvollsten Rückmeldungen. Das gilt insbesondere für die zahlreichen Kontakte im Tagesgeschäft. Alle Personen, die mit den Kunden persönlichen Kontakt haben, erfahren eine Wahrnehmung über dessen Zufriedenheit. Wenn es uns gelingt, dass diese Personen wahrgenommene Unzufriedenheiten zu kommunizieren, gewinnen wir wertvolle Informationen.
Fragebogen, aber: Statt den Kunden zu bitten einen Fragebogen auszufüllen, können unsere Mitarbeiter:innen einen solchen Fragebogen nach Kundenkontakten ausfüllen. Falls Ihr bereits Besuchsberichte nutzt, ergänzt diese um die wahrgenommene Kundenzufriedenheit.
Kennzahlen auswerten: Umsatzentwicklung, Termintreue, Mengentreue, Anzahl Reklamationen, Marktpreisanalysen und viele weitere Kennzahlen geben uns zumindest Anhaltspunkte darüber, dass Kunden unzufrieden sein könnten.
Soziale Netzwerke: Insbesondere im B2C Bereich gehört die Auswertung von Kampagnen und die Reaktion von Kunden in den sozialen Netzwerken zum Thema Kundenzufriedenheit mit dazu.
Kundenhut aufsetzen: Spiele den Kaufprozess durch und bewerte bei allen Etappen der Kundenreise von der Lieferantensuche bis zur ersten Bestellung, wie Du diesen Prozess wahrnimmst. Bei einem Ladengeschäft könnte man zum Beispiel feststellen, dass die Website keine Hinweise auf die Parkmöglichkeiten aufweist. Las Dir „undercover“ ein Angebot erstellen und bewerte die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft am Telefon, die Dauer bis zum Angebot und dessen inhaltliche Aufmachung. Schaue Dir die Rechnungen an Kunden an und überprüfen Sie deren Klarheit sowie die Texterkennung für z.B. Datev (Texterkennung von Unternehmen-Online).
Es viele weitere Möglichkeiten, die allesamt Vor- und Nachteile mit sich bringen. Die beste Methode ist jene, welche den Kunden am wenigsten belästigt und uns wertvolle Informationen und Möglichkeiten zur Verbesserung liefert.
Weitere Impulse zum Thema
Der obige Text ist ein Auszug aus meinem Buch „Managementbewertung ISO 9001“.
Das Buch finden Sie auf Amazon.de. Es enthält Hinweise zu allen zu betrachtenden „Eingaben für die Managementbewertung“ sowie Alternativen zum klassischen Reviewbericht.
Link zum Buch: www.qm-review.de
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Zudem habe ich im Januar 2017 für das Fachmagazin Quality Engineering einen passenden Artikel zum Thema geschrieben, der ebenfalls in diesem Blog zu finden ist: Nachdenken statt nachfragen.