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Falsche Prognosen vermeiden
Was ist passiert?
Leider hatte ich schon häufiger mit Arztprognosen zu tun als mir lieb ist. Teils am eigenen Leib, teils als Begleitperson. Ich habe bis heute nicht verstanden, wie bestimmte Prognosen (Äußerungen von Ärzten) zustande kommen. Jedenfalls wurde bei keiner meiner bisherigen Operationen (immerhin 4 Stück) der Erfolg von Ärzten, Krankenhäusern oder Krankenversicherungen hinterfragt. Ein Systemfehler?
Einige Fehlprognosen von Ärzten sind eventuell auf Missverständnisse oder unterschiedliche Zielvorstellungen zurückzuführen. Hierzu ein Beispiel: Im Januar 2023 habe ich mir beim Tischtennis mein rechtes Bein gebrochen. Das Wadenbein war oberhalb des Knöchels durch (Weber-B-Fraktur) und auch am Schienbein lag eine Fraktur vor (Volkmann-Dreieck).
Prognose des Arztes: „Sechs Wochen nach der Operation können Sie wieder laufen, Herr Joseph.“
Welche Prognose wäre besser gewesen?
Eine realistischere Aussage wäre gewesen:
- Sechs Wochen nach der Operation dürfen Sie das Bein gar nicht belasten. Das ist die Zeit, die Knochenbrüche benötigen, um wieder zusammenzuwachsen.
- Nach den sechs Wochen dürfen und sollen Sie mit Gehhilfen das Bein teilweise belasten und diese Belastung sukzessiv steigern.
- Nach weiteren zwei bis drei Wochen können Sie wahrscheinlich wieder mit dem Auto fahren und langsam auf die Gehhilfen verzichten.
- Zudem müssen Sie mit physiotherapeutischer Unterstützung die verkümmerten Muskeln aufbauen, verklebte Faszien lösen und ihre verkürzten Sehnen wieder auf Länge dehnen.
- Es werden eventuell weitere Wochen vergehen, bis Sie wieder normal gehen, laufen und Tischtennis spielen können.
Das klingt völlig anders als die ursprüngliche Aussage des operierenden Arztes. Gehen konnte ich nach 9 Wochen und erst nach 6 Monaten problemlos Treppen herabsteigen. Stand Heute (Oktober 2023) habe ich morgens immer noch leichte Probleme nach dem Aufstehen oder nach langem Sitzen.
Wo ist das Problem mit Prognosen?
Jetzt ist eine Weber-B-Fraktur ein typischer Bruch, zu dem unzählige Erfahrungen vorliegen. Wie der Arzt auf die Sechs-Wochen-Prognose kommt, ist daher nachvollziehbar.
Ich habe jedoch auch bei seltenen Erkrankungen die Erfahrung gemacht, dass Ärzte extrem optimistische Erfolgsprognosen zu bestimmten Behandlungen abgeben: „Bei 85 % der Patient:innen war diese revolutionär neue Methode erfolgreich.“ In keinem der mir bekannten Fälle wurde der Erfolg nach der Operation oder Behandlung hinterfragt. Da frage ich mich, woher diese Prognosen stammen.
In einem QM-System ist die Bewertung der Wirksamkeit von Maßnahmen eine zentrale Aufgabe. In unserem Gesundheitssystem sind scheinbar nur die Behandlungskosten relevant. Eine nachhaltige Erfolgsbetrachtung oder Lebenszykluskosten-Betrachtung ist für mich als Patient nicht erlebbar.
Mittlerweile zweifle ich Prognosen von Ärzten stark an. Vielleicht gibt es für Standarderkrankungen Studien, aber dann frage ich mich, warum Ärzte dann nicht auf diese verweisen.
Selbst im Fall von Klassikern wie der Weber-B-Fraktur stelle ich mir die Frage, in welchem Rahmen diese Studien durchgeführt wurden. Das Ergebnis wird bei Profisportlern mit täglicher Physiotherapie und häuslicher Unterstützung völlig anders ausfallen als bei Personen, die drei Monate auf 8 x 20 Minuten Physiotherapie warten und nebenbei den Haushalt schmeißen müssen. Zudem sind die Grundvoraussetzungen zwischen einer sportlichen Person und einem 51 Jahre alten Büroarbeiter mit 15 Kilogramm Übergewicht nicht vergleichbar.
Appell
Liebe Ärztinnen und Ärzte, ich bin heilfroh, dass es euch gibt 💜. Ich möchte euch lediglich darum bitten, euch bei der Äußerung von Prognosen mehr Zeit zu nehmen, öffentliche Erkenntnisse (z.B. Studien) zu teilen und bei der Erfolgsbewertung die individuellen Rahmenbedingungen realistischer zu berücksichtigen. Ja, dafür braucht man mehr Zeit und gegebenenfalls ein gescheiteres Gesundheitssystem, statt unseres deutschen Kranken-Verwaltungssystems. Aber sollte die individuelle Gesundheit nicht über allem anderen stehen?